Aus der Präsentation für die Goetheanum-Leitung am 5. Februar 2019
Eine Bestandsaufnahme zur Thematik ‹Zeichen, Bild- und Wortmarken im Goetheanum-Zusammenhang›.
Zunächst eine unvollständige Zusammenschau von ‹Logos› denen im Goetheanum-Kontext begegnet wird:
Die Sammlung ist Ausdruck der reichen Diversität, bzw. der parallel gewachsenen Strukturen und Identitäten. Aus Marketingperspektive wäre die gemeinsame Pflege einer Identität zielführender, da Kosten der Entwicklung und Verbreitung optimiert werden können und zugleich die Wiedererkennbarkeit und das Vertrauen in den Goetheanum-Zusammenhang gesteigert würde. Aus gestalterischer Perspektive wäre eine deutlichere Gemeinsamkeit der Teil-Identitäten wünschenswert, um den Zusammenhang fühlbar zu bekommen.
Was sind die Gründe für immer neue/andere Logos?
Die Abwesenheit einer eindeutigen Referenz – Was ist wann, wie, wo einzusetzen in der Kommunikation?
Die allgemeine Verfügbarkeit der Logo-Elemente.
Die Nachvollziehbarkeit der Einsatzregeln. Warum soll ich das hier so verwenden?
Die vorhandenen Logo-Elemente sind ungeeignet für den vorliegenden Bedarf. Sind nicht ausreichend flexibel für diesen oder jenen Zweck.
Mangelnde Aktualität. Wir machen etwas Neues. Das ist zu verstaubt. etc.
Wir machen etwas Neues – wir sind nicht das, was es schon gibt. Oder wir sind eine eigene Identität – ‹Medizin ist nicht Gartenbau›.
Gemeinsame Gesichtspunkte wollen erarbeitet, miteinander errungen und von Zeit zu Zeit erneuert werden. Individualisierte Selbstverständnisse brauchen Diskurs.
Nächster Schritt: eine minimale Begriffsklärung. Wir sprechen von Wortmarken, bei spezifisch gestalteten Schriftzügen, siehe rechte Spalte. Von Bildmarken ist die Rede bei bildhaften Zeichen die in ihrer Prägnanz erlernt werden können und allein für die Unternehmung stehen können. Im anthroposophischen Kontext tauchen besondere Gestaltungen auf, die hier unzulänglich als ‹Zeichen› bezeichnet werden, siehe linke Spalte. (Weiterhin sind allerlei Mischformen auf dem Blatt zu finden.)
Die Besonderheit dieser ‹Zeichen› ist: Sie tragen ihr Zentrum ausser sich. Während gebräuchliche Logos vom Siegel, Wappen oder Stempel abstammen und entsprechend in-sich-geschlossenen, meist kreisförmig gestaltet sind, weisen Steiners Zeichen auf etwas ausser ihnen liegendes. Sie gehen etwas voraus, sie weisen auf etwas Folgendes hin. Woher kommen diese Zeichen, was ist ihr Sinn und Gebrauchswert? Ihr Einsatz als universell einsetzbares Logo ist sehr beschränkt durch ihre Eigenschaften. Dazu im weiteren mehr. Zunächst noch ein naheliegenderes Problem.
Was passiert, wenn die aus verschiedenen historischen und gestalterischen stammenden Elemente aufeinander angewendet werden. Etwa Zeichen und Wortmarken um ein ‹vollfunktionstüchtiges› Logo zu erhalten?
Fast jeder, der bisher in diesem Bereich tätig war, kennt die Stunden, manchmal Wochen, die gewöhnlich erfolglos in dieses Unterfangen investiert werden. Manche Kombination mag irgend erträglich sein, doch eine tragende Stimmigkeit bleibt die absolute Ausnahme. Die Zeichen fordern eine lebendige Typografie und die Schriftzüge stetige Zeichen. Dieses Problem ist so alt wie die Zeichen selbst – ein minimaler Exkurs:
Rudolf Steiners ‹Grafisches Werk› lässt sich in zwei Hauptphasen teilen. Die Erste beginnt 1907 mit dem Münchner Kongress. Es entstehen Planetensiegel, Eintrittskarten und erste Buchumschläge. Die Phase endet 1913 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Und die zweite Phase beginnt 1919 am Ende des Weltkriegs. Es entstehen u.a. Aktienscheine, Zeitschriftenköpfe, Mitgliedskarten und Buchumschläge bis zu Steiners Tod 1925.
Am Ende der ersten Phase steht die Buchumschlagsgestaltung für das vierte Mysteriendrama. Ein Siegel verschließt den Text. Am Anfang der zweiten Phase findet sich der Umschlag für die ‹Kernpunkte der Sozialen Frage› mit einem neuen Gestaltungsansatz:
Was führte Rudolf Steiner von der in-sich-geschlossenen Siegelform zu seinem ersten eröffnenden Buchumschlagszeichen? Was ist dazwischen geschehen?
In den Kriegsjahren arbeitete er an einer grafischen Aufgabe. Er entwarf einzelne Initialen – Anfangsbuchstaben für den Druck seiner Vortragszyklen.
Er beschäftigt sich entwerfend mit dem wahrscheinlich wichtigsten Element der mittelalterlichen Buchgestaltung, der Initiale, dem Anfang. Die Initiale ist älter als die Titelei von Texten und Büchern. Ihr werden ganze Bilder einverleibt, die den Textinhalt bereits bildhaft vorausnehmen.
Folgende These liegt nahe zu formulieren: Rudolf Steiner erfindet mit seinen ‹Zeichen› ein neues gestalterisches Mittel, eine Meta-Initiale, die nicht nur dem Text vorausgeht, sondern dem ganzen Buch in seiner Erscheinung eine Ebene der Intention, der Richtung beigibt.
Als Hintegrund ist es interessant zu wissen: der einheitliche Verlagsumschlag ist noch jung. Die Gestaltung von Buchumschlägen ist noch kein ausgereiftes Gewerbe. Bis weit ins neunzehnte Jahrhundert werden Bücher in Form von aufgerollten, bedruckten Papierbögen verkauft, die der Besitzer seinem Buchbinder übergibt, der die einheitliche Bindung der privaten Bibliothek besorgt. Das Interesse für verkaufsfördernde Buchumschläge erwacht erst in dieser Zeit.
Dieses erste Zeichen von Rudolf Steiner bleibt jedoch nicht auf dem Buchumschlag sitzen. Es bewegt sich, wird zum Zeichen der Dreigliederungsbewegung auf Plakaten, Broschüren und Zeitschriften. Der Zeitschriftenkopf der Wochenschrift ‹Dreigliederung des Sozialen Organismus› bringt uns zurück zu unserer Ausgangsfrage: Was ist für Steiners Zeichen die stimmige Schriftgestaltung?
Innert anderthalb Jahren wird der Zeitschriftenkopf drei mal neu gestaltet. In der ersten Fassung erscheint ein Versuch von Unbekannt, der naheliegend versucht die Zyklus-Initalen als Anregung für eine Schriftgestaltung zu nehmen. Dynamische Proportionen, frakturartige Figuren – ganz im Kontrast zu der einförmigen, schlichten Proportion des Zeichens. Das Ergebnis wird im darauffolgendem Jahr komplett überarbeitet. Das Zeichen wird dynamisiert in den Proportionen und die Schrift vereinfacht. Einen Schritt weiter geht noch der Umschlag für den Jahrband, auf dem die Schrift den Frakturcharakter ganz ablegt und wie ganz aus den Stilmitteln des Zeichens zu bestehen scheint. 1921 entsteht ein komplett neuer Wurf. Die Zeichen haben sich parallel weiterentwickelt und haben an Komplexität gewonnen. Drei Elemente fließen schraffiert auf die Titel zu und um sie herum. Die Schriftgestaltung nimmt die Schraffur auf und stoppt das Fliessen durch aufrechte Formen. Eine harmonische Gestaltung, die kommende, gelungene Entwürfe vorausahnen lässt. – Die offene Frage nach Schriftgestaltungen für Hochschul- und Gesellschaftszeichen ist damit formuliert.
1924 entstehen die letzten beiden Zeichen. Vielleicht am einfachsten und vollkommensten das Zeichen der Hochschule auf dem Briefpapier, als Abschluss, Essenz einer Gestaltungsphase. Eine Besonderheit wird hier sichtbar, beide Zeichen sind je für Briefpapier und für Mitgliedskarte gezeichnet. Die Zeichen gehen mit dem Format und dessen Aufgabe mit, in dem/der sie erscheinen. – Ein noch deutlicheres Beispiel dieser Flexibilität, hier ausgeführt von Walther Roggenkamp, das Zeichen der Weleda in drei Formaten, als Flächen und als Linien:
Aus: ‹Bewegung und Form in der Grafik Rudolf Steiners› von Walter Roggenkamp, Hildegard Gerbert, Verlag Freies Geistesleben 1979. – Und abschliessend eine Ausnahme. Ein Zeichen wurde von Rudolf Steiner zum Signet umgearbeitet, einer in sich geschlossenen Form:
An diesem Fall formuliert sich die zweite offene Frage: Ist es möglich die Zeichen der Hochschule und der Gesellschaft weiter zu gestalten, für Anwendungen jenseits von Briefkopf und Mitgliedskarte, etwa als Signets oder flexible Figuren/Animationen für dynamische Formate (Bildschirmanzeigen)?
Zusammenfassend ein Blick auf eine Ordnung der vorhandenen Logo-Elemente, wie wir sie durch eine Reihe Gespräche bisher reduzieren konnten, mit der Perspektive diese weiter zu pflegen, bzw. aus ihnen heraus auf weitere Gestaltungen zu zugehen:
Deutlich sind in dieser Darstellung die drei Sphären des Goetheanum: Gesellschaft, Hochschule (inkl. Sektionen) und Campus. Das einzige vollfunktionstüchtige Logo mit eigenständiger Bild- und Wortmarke, skalierbar und elementar genug für vielseitige Variationen ist das Bühnen-Logo, welches erst kürzlich eingeführt wurde. Für die Frage nach einem gemeinsamen Logo für alle Aktivitäten, lässt sich fragen, ob es nicht bereits dieses ist.
Die Form entstammt dem Grundriss des zweiten Goetheanum – die Durchdringung von Quadrat und Trapez. Der Grundgedanke der Durchdringung von Räumen erscheint. – In ihrer Einfachheit und Knochenartigkeit birgt diese Zeichnung sehr viel Potential für Ausgestaltungen. Auf einem Entwurfsblatt von Severin Geissler, aus der Entstehungszeit, finden sich bereits flächige und farbige Varianten.
Zum Ende noch einmal die drei entwickelten Fragen:
Was ist die stimmige Typografie für Rudolf Steiners Zeichen? Was ist hier mit heutigen Mitteln zu entwickeln?
Ist es möglich die Zeichen der Hochschule und der Gesellschaft weiter zu gestalten, für Anwendungen jenseits von Briefkopf und Mitgliedskarte, etwa als Signets oder flexible Figuren/Animationen für dynamische Formate (Bildschirmanzeigen)?
Könnte das Bühnen-Logo das gemeinsame Campus-Logo werden?
Es folgt Gespräch; Im Bühnenlogo werden runde, organische Formen vermisst. Es scheint eher ein Wunsch im Raum, nach einer sinnlicheren Gestalt des Goetheanum. Die Weiterentwicklung der Zeichen scheint als Perspektive noch unklar, braucht überzeugende Entwürfe. Es taucht die Frage auf, ob die Wortmarke aus der Robirke nicht ausreicht als Logo. Der bestehende Bedarf an einer Bildmarke wird kurz geklärt. Die Frage, ob sich auf die Sektionszeichen zugunsten des Hochschulzeichens verzichten lässt, klingt an. Angemerkt wird: Hochschule und Bau tragen den Namen Goetheanum.
Quelle für die historische Betrachtung ist der Doppelband ‹Rudolf Steiner – Das Graphische Werk› herausgegeben von Roland Halfen und Walter Kugler. Die Abbildungen sind aus dem Bildband abfotografiert (Ausnahme mittelalterliche Buchinitiale, viertes Beispiel für Zeitschriftenkopf ‹Dreigliederung›, gefunden von Fabian Roschka und die Abbildung der Weleda-Zeichen-Transformationen, Quelle bei Bild). Weiterhin Zitat neben Abbildung ‹Bücher sind zum Öffnen da› aus ‹Kunst und Handarbeit – Anregungen von Rudolf Steiner für Pädagogen und Künstler›, herausgegeben von Hedwig Hauck. – Eine Literaturliste zur Thematik ‹Grafische Gestaltung und Anthroposophie› wird hier demnächst veröffentlicht.